Fibromyalgie
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Die Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung. Das Wort Fibromyalgie leitet sich in seinen drei Bestandteilen ab aus „Fibro-“ vom lat. fibra=Faser, „My-“ bzw „Myo-“ griechisch myos = Muskel und „algie“ ebenfalls aus dem griechischen von algos = Schmerz. Die englische Bezeichnung Fibromyalgia beinhaltet zusätzlich die Endung -ia, die sich vom griechischen iasis = Krankheit ableitet.
Beschrieben wurde sie zuerst 1904, dann 1977 und letztendlich 1990 in den USA. In der WHO geführt unter der Ziffer M79.7.
Symptome
Es handelt sich um eine chronische Schmerzkrankheit mit Symptomen des Gelenk- bzw. Bewegungsapparates: Schmerzen in allen Körperbereichen, insbesondere bei Belastung, allgemeine Schwäche, Konzentrationsstörung, Schlafstörung, chronische Erschöpfung (siehe: Fatigue), tiefgreifende Funktionsstörungen, erheblich verringerte geistige und körperliche Leistungsfähigkeit können Symptome sein. Körperliche, geistige, aber auch emotionale Belastungen erfordern unnatürlich lange Erholungsphasen.
Organ- und Gewebeschäden sind bisher nicht nachweisbar, obwohl massive Störungen in der Funktion der inneren Organe auftreten können, insbesondere zu Beginn der Erkrankung. Die Fibromyalgie kann plötzlich auftreten, nach einer grippeähnlichen Erkrankung oder schleichend.
Die Krankheit verläuft häufig in Wellen und Schüben und befällt in diesen typischerweise unterschiedliche Körperbereiche. Die einzelnen Schübe und akuten Phasen folgen keinem bestimmten Muster und sind deshalb nur schwer vorherzusehen, jedoch treten sie besonders häufig nach akuten Infektionskrankheiten auf (Grippe, Lungenentzündung o. ä.).
Zu einer krankheitsbedingten Zerstörung der Knochen - wie etwa bei einer rheumatoiden Arthritis - kommt es durch die Fibromyalgie selbst in der Regel nicht, jedoch kann die teilweise massive Bewegungseinschränkung zu Kapselschrumpfungen und anderen irreparablen Folgen im Gelenkapparat führen; dies ist allerdings selten.
Diagnose
Die Diagnose einer Fibromyalgie gestaltet sich für den Ungeübten recht schwierig, da sowohl Röntgenbilder wie auch Laborwerte keinen eindeutigen Aufschluss geben. Meist werden so genannte "tender points" (18 Druckpunkte, von denen 11 auffällig reagieren sollten) zur Differentialdiagnose zur Hilfe genommen (ACR [American College of Rheumatology]-Klassifikationskriterien 1990). Oft wird die Diagnose erst nach 8-10 Jahren gestellt, so dass es bereits zu einem Vollbild der Erkrankung gekommen ist, bevor der Patient angemessen therapiert wird.
Diagnosekriterien:
spontane Schmerzen in der Muskulatur, im Verlauf von Sehnen und Sehnenansätzen, die über mindestens 3 Monate an 3 verschiedenen Regionen vorhanden sind.
Druckschmerzhaftigkeit der "tender points" - siehe oben
begleitende vegetative und funktionelle Symptome (Schlafstörungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen/Migräne, kalte Hände/Füße, trockener Mund, Hyperhidrosis, Kreislaufbeschwerden, Schwindel, gastrointestinale Beschwerden, Globusgefühl, funktionelle Atembeschwerden, Mißempfindungen ("Kribbeln"), funktionelle kardiale Beschwerden, Dysurie und/oder Dysmenorrhoe)
Fibromyalgie-Patienten haben aufgrund der problematischen Diagnose oft Schwierigkeiten, trotz völliger Arbeitsunfähigkeit und teilweise sogar Pflegebedürftigkeit, als arbeitsunfähig anerkannt zu werden, was nicht selten zu großen sozialen bzw. finanziellen Schwierigkeiten führt. Die Krankheit ist nicht tödlich, kann jedoch zu einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Sie gilt derzeit als nicht heilbar.
Ursache
Bisher nicht bekannt.
Diskutiert wird derzeit als Ursache z.B. eine zu einem früheren Zeitpunkt durchlebte Infektionskrankheit (etwa eine Streptokokken-Infektion), die selbst zwar überwunden ist, jedoch zu einer Schädigung bzw. Fehlfunktion des Immunsystems geführt hat. Eine Störung des Immunsystems ist allerdings bislang nicht nachgewiesen und eine Beeinflussung des Immunsystems z.B. durch Kortikoide ("Kortison") hat auf die Symptome i.A. keinen Einfluss (kann aber in Einzelfällen doch wirksam sein). Eine Infektion mit Borrelia burgdorferi kann in allen Stadien der Erkrankung Symptome ähnlich einer Fibromyalgie verursachen. Dies sind insbesondere Myalgien, Arthralgien, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme. Deshalb kann vor der Diagnosestellung Fibromyalgie die Abklärung einer Borreliose sinnvoll sein. Die Bedeutung dieser Differentialdiagnose wird häufig überschätzt, eine entsprechende Abklärung sollte nur durch den Spezialisten (i.A. internistischer Rheumatologe) veranlasst werden.
Die Fibromyalgie ist sicher keine entzündlich-rheumatische Erkrankung im eigentlichen Sinne, da u.A. die entsprechenden Laborwerte unauffällig sind. Ob Fibromyalgie zu den psychosomatischen Erkrankungen zählt, ist teilweise noch umstritten. Diskutiert wird von einigen auch auf Grund der häufig anfänglich grippalen Symptome wie bei CFS (Chronic Fatigue Syndrome, Chronisches Erschöpfungssyndrom) eine möglicherweise infektiöse Ursache (postvirale Fibromyalgie). Im angelsächsischen Raum wird zwischen Fibromyalgie und CFS weniger unterschieden.
Die Fibromyalgie wird heute auch als chronische Schmerzkrankheit par excellence gesehen. Sie ist die Summe von morphologischen schmerzbedingten Veränderungen am Nervensystem, einem Absinken der Schmerzschwelle unter der abnehmenden körperlichen Aktivität und einem Verlust der psychosozialen Kompetenz.
Betroffene
Ca. 0,6 - 4% der Bevölkerung, zu 85 - 90% Frauen. Die Erkrankung beginnt meist um das 35. Lebensjahr und hat einen Häufigkeitshöhepunkt im und nach dem Klimakterium. Selten sind auch Kinder und Jugendliche von ihr betroffen; bei alten Menschen könnte sie fälschlicherweise unter "Altersbeschwerden" subsummiert werden.
Der Krankheitsverlauf kann kurz sein und spontan ausheilen, er kann sich aber auch über Jahrzehnte hinziehen. Die Heftigkeit der Symptome und der daraus folgenden gesundheitlichen Einschränkungen ist individuell verschieden, in schweren Fällen aber lebensbestimmend bzw. stark einschränkend bis hin zur dauernden Bettlägerigkeit.
Typisch sind "Patientenkarrieren", d.h. die Betroffenen haben bis zur Diagnosestellung eine Vielzahl von Ärzten besucht und viele verschiedene, teilweise überflüssige diagnostische und / oder therapeutische Maßnahmen hinter sich. Aufgrund dieser unklaren Lage, haben Betroffene, insb. in Ländern mit ausgebautem Sozialsystem, Schwierigkeiten ihren Rechtsanspruch im Sozialrecht tatsächlich durchzusetzen. Bei einer angenommenen Prävalenz von bis zu 4% der Gesamtbevölkerung in Kombination mit ärztlicher Unzufriedenheit durch Hilflosigkeit, sind auch verbale Auswüchse wie dieser keine Seltenheit: "Es handelt sich um jene Patienten, die von Arzt zu Arzt rennen, ohne daß ein für beide Seiten zufriedenstellender Organbefund erhoben werden kann." (Quelle: Kommission zur Weiterentwicklung der Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung Abschlußberichte – Band III Arbeitsbereich „Rehabilitationskonzepte“ Teilband 1 „Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes“ Teil II - Seite 67-240 )
Behandlung
Es gibt bisher keine kausale Therapie. Es besteht die Gefahr des Medikamentenmissbrauchs und der Sucht. Ein Behandlungskonzept ist heute die multimodale Therapie entsprechend den Erkenntnissen der modernen Schmerzforschung. Diese beinhaltet als simultane Maßnahmen:
eine ausreichende schmerzlindernde Therapie inclusive sog. Coanalgetika (Antidepressiva, Antikonvulsiva)
eine systematische Belastungssteigerung durch Sporttherapie
eine psychologische Begleittherapie und
eine weitestgehende Rückübernahme der sozialen Verantwortung in Familie und Beruf.
Krankengymnastik, sofern diese überhaupt noch möglich ist angesichts der bereits eingetretenen Gelenkversteifungen bzw. des teilweise erheblichen Schmerzpegels.
Oft hilft eine symptomatische Therapie, die Lebensqualität erheblich zu verbessern. Eine symptomatische Therapie zielt auf das Abmildern oder Beseitigen von Symptomen ab. (Die Ursache der Krankheit scheint nicht beeinflußbar, da sie häufig auch nicht ausreichend bekannt ist.)
umfassende Information über die Krankheit (Bücher, Internet, Selbsthilfeorganisationen)
Muskelschmerzen: Sauna, Rheumabäder, (leichtes!) Gerätetraining, Massagen
Magen-Darmbeschwerden: Tees, Ernährungsumstellung (z. B. bei Reizdarm: indische Flohsamenschalen)
Entspannung (autogenes Training, Meditation usw.), Stressfaktoren minimieren
bei Müdigkeit/Erschöpfung: Schilddrüsenhormone überprüfen lassen, evtl. liegt eine Hypothyreose vor
Genusstraining
energetischer Ausgleich (Meridiantherapie)
Eine in letzter Zeit in die Debatte gekommene operative Behandlung, bei der Verdickungen bzw. Verklebungen an so genannten Fibromyalgie-Druckpunkten entfernt werden, ist äußerst umstritten und nicht genügend geprüft.
In wärmeren Klimazonen können die Symptome abklingen oder ganz verschwinden. Von daher liegt die Vermutung nahe, dass eine alternativmedizinische Behandlung zur Behebung energetischer Dysballancen hilfreich sein könnte.
Literatur
Eva Feld, Ulrike Novotny, Schmerzkrankheit Fibromyalgie, Medizinverlage 2004, ISBN 3-8304-3259-3
R. Paul ST. Amand, Claudia Craig Marek, Fibromyalgie, Books on Demand GmbH, ISBN 3-8334-3235-7
Weblinks
Fibromyalgie aus psychosomatisch-psychosozialer Sicht (PDF 130 KB)
Fibromyalgie als Störung der zentralen Schmerz- und Stressverarbeitung. (PDF 141 KB, wissenschaftlicher Fachtext)